In meiner langjährigen Tätigkeit als Paartherapeutin komme ich immer wieder mit Menschen in Kontakt, die trotz viel guten Willens einfach keine echte Befriedigung miteinander erleben. Dabei schafft eine sexuell stimmige Beziehung eine Harmonie, die in den Alltag ausstrahlt. Eine erfüllte Sexualität ist eine starke, Beziehung stützende und tragende Basis. Sex macht glücklich oder extrem unglücklich. Je nachdem, ob das Liebesleben richtig rund läuft oder vor sich hin dümpelt.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob der Sex „gut“ oder „schlecht“ ist, sondern ob zwei Menschen sexuell zueinander passen.
Mit 423 Fragen gibt das Buch die Möglichkeit, das eigene Sexual-Profil zu konkretisieren und mit dem des Partners oder potenziellen Partners abzugleichen
Das führt zum sexuellen Ich und zum sexuellen Du und im Idealfall zum sexuellen Wir.
Mein Buch kann ab sofort bei tredition, im Buchhandel und bei Amazon bestellt werden. Jetzt auch als eBook, u.a. für Kindle und iOS erhältlich!
Ab sofort gibt es die 423 Originallfragen aus dem Sex-Pass auch als Arbeitsheft!
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Kann eine Beziehung nur gelingen, wenn alle Beteiligten auf sexueller Ebene miteinander harmonieren? In ihrem Buch Sexpass geht Dagmar Cassiers genau dieser Frage nach und stellt euch 423 Fragen zu eurem sexuellen Profil.
Heute mal wieder eine Buchrezension, zu einem Buch, was schon länger auf meinem Tisch liegt: Sex-Pass. Sexuelle Passgenauigkeit – mit 423 Fragen zum sexuellen Profil von Dagmar Cassiers.
Darum geht’s:
Dagmar Cassiers ist der Meinung, dass eine Beziehung nur wirklich gut und harmonisch funktionieren kann, wenn die Menschen darin auch sexuell zueinander passen. Tun sie das nicht, ist jede Beziehung über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt. Doch leider lässt sich die sexuelle Passgenauigkeit nur schwer von Anfang an feststellen, ist doch das Sexleben zu Beginn einer Beziehung überwiegend von hormoneller Triebgesteuertheit geprägt. Um einer solchen Fehleinschätzung nicht zu unterliegen, hat Cassiers einen 423 (!) Fragen umfassenden Katalog entwickelt, mit dessen Hilfe ihr euch selbst ein sexuelles Profil erstellen und mit dem eures Partners oder Partnerin auf die sexuelle Kompatibilität hin vergleichen könnt.
Gleich zu Beginn ihres 262 Seiten starken Buches formuliert Cassiers ihre These, welche sie mit den weiteren Ausführungen unterlegen will: „Glückliche Paare passen sexuell gut zueinander, unglückliche passen sexuell schlecht zusammen. Die anderen Beziehungsbereiche treten hinter diesen zentralen Bereich zurück.“
Die diplomierte Psychologin arbeitet selbst seit einigen Jahren als Paartherapeutin und meint, genau diesen Zusammenhang bei einem Großteil ihrer Klienten ausgemacht zu haben.
Die Sexualität des Menschen
Ganz klassisch beginnt Cassiers erst einmal mit ein paar Erläuterungen zu der Sexualität des Menschen. Die ersten drei Abschnitte widmen sich der menschlichen Sexualität sowie der Entwicklung der menschlichen Bedürfnissen und des Sexualverhaltens. Trotz der manchmal recht komplexen Thematik kommt man als Leser dank der angenehmen Sprache beim Lesen schnell voran und kann Cassiers Gedankengänge gut nachvollziehen.
Angefangen bei den Jägern und Sammlern (die Ansichten sind mittlerweile jedoch durchaus überholt) über die 68er Revolution bis hin zum Orgasmus der Ostfrau gibt es einen straffen Galopp durch die Geschichte der Bedürfnisentwicklung und die gesellschaftliche Stellung von Sexualität. Die Kapitel sind interessant zu lesen und bieten einen ersten guten Überblick. (Gleichzeitig aber nicht viel Neues, was nicht auch schon in vielen anderen Ratgebern steht).
Dabei betrachtet sie die menschliche Sexualität nicht als etwas fixes, dass bei jedem Menschen gleich ist, sondern ganz im Gegenteil: „Auf der Grundlage genetischer Unterschiede, hormoneller Beeinflussung sowie sozialer und kultureller Unterschiede ist die menschliche Sexualität so individuell wie die menschlichen Fingerabdrücke. Ich behaupte, dass es – ähnlich wie bei den Fingerabdrücken – keine gleich strukturierte Sexualität zwischen zwei beliebigen Menschen auf der ganzen Welt gibt, sondern höchstens Ähnlichkeiten.“ (S. 19)
Über die sexuelle Quantität und Qualität
In den nächsten beiden Kapiteln geht es um die Quantität sowie die Qualität von Sex in der Beziehung.
Dabei geht die Autorin im Bezug auf die Häufigkeit auf verschiedene Fallen ein. Denn sie meint, dass „Abgesehen von der individuell, genetisch und sozial geprägten Triebhaftigkeit, […] die Häufigkeit sexueller Kontakte auch stark mit der sexuellen Beziehungsstruktur zusammenhängt.“ (S. 29) Und in dieser Beziehungsstruktur können nun verschiedene Fallen lauern, welche sich negativ auf das Liebesleben auswirken. Insgesamt zählt sie 7 Bereiche auf, darunter zum Beispiel die bekannte Alltagsfalle – durch einen gemeinsamen Alltag nimmt die sexuelle Spannung ab – oder auch die Zärtlichkeitsfalle – die Frau will zum Beispiel Zärtlichkeiten ohne Sex, bei ihm geht es immer gleich um Sex.
Sehr intensiv setzt sie sich auch mit dem Thema der „Sexuellen Qualität“ auseinander, wobei sie gleich zu Beginn ihrer Ausführungen voranstellt: „Gute oder schlechte Sexualität gibt es nicht! Es gibt nur mehr oder weniger passende oder mehr oder weniger befriedigende Sexualität für den Einzelnen und die Partnerschaft.“
Einer Aussage, der ich nur zustimmen kann. Denn während ein Paar es zum Beispiel liebt, langsamen und ruhigen Kuschelsex zu haben, könnten Hardcore BDSMler bei denen es hart zur Sache geht, wahrscheinlich nicht viel damit anfangen. Dennoch ist keine der beiden Spielarten gut oder schlecht – es ist eben das, was die ganz persönlichen Bedürfnisse befriedigt. Diese „richtig-falsch-Wertung“ im Bezug auf die Sexualität ist ein uns von unserer Gesellschaft aufdoktriniertes Wertesystem, was sich über Jahrhunderte aus verschiedenen Machtstrukturen heraus entwickelt hat. Jenes Wertesystem versucht uns eben zu sagen, was richtige und was falsche Sexualität ist. Im Ergebnis fragt sich dann manche Frau, welche häufig Lust auf Sex hat, ob denn mit ihr irgendetwas nicht stimmt.
„Geschichten aus dem Praxisalltag“
Doch die ganze Theorie ist nur Vorgeplänkel zum eigentlichen Hauptteil des Buches. Spannend sind die „Geschichten aus dem Praxisalltag“, bei welchen Dagmar Cassiers von realen Paaren erzählt, die mit ihren Problemen und Sorgen zu ihr gekommen sind. Dabei dienen die exemplarischen Beispiele vor allem dazu, ihre Theorie zu untermauern, dass eine Beziehung auf Dauer nur bei einer „sexuellen Passgenauigkeit“ die Chance hat, zu bestehen.
Sexuelle Passgenauigkeit im Konjunktiv
Bevor ich jetzt zu dem wahnsinnig umfangreichen Fragenkatalog komme, will ich nicht verschweigen, dass ich die These zur sexuellen Passgenauigkeit durchaus auch kritisch sehe.
Zu Beginn ihres Buches schreibt sie: „Sexuelle Harmonie in der Partnerschaft kann zum ‚Klebstoff‘ der Beziehung werden, Störungen können sich als ‚Sprengstoff‘ erweisen.“ (S. 38) Benutzt sie in dieser Formulierung noch den Konjunktiv formuliert sie nur wenige Zeilen später: „Es gibt eben nichts Wichtigeres zwischen den Partnern zu klären, denn das Gelingen einer befriedigenden Sexualität ist das Rückgrat einer Paarbeziehung.“ (S. 38)
Sprich – eine Beziehung funktioniert nur, wenn beide Partner sexuell zusammenpassen. Ohne Frage stimme ich mit ihr überein, dass ein befriedigendes Sexualleben in einer Beziehung verdammt wichtig ist. Doch wird hier die Frage nach einer funktionierenden Beziehung rein auf die sexuelle Passgenauigkeit verengt. Was meiner Meinung nach den komplexen Mechanismen von zwischenmenschlichen Beziehungen nicht ganz gerecht wird. In diesem Zusammenhang sehe ich ihre Ausführungen im Kapitel „Da war doch noch etwas – Liebe!“ besonders kritisch.
Zumal mir auch eine Abgrenzung der Begrifflichkeiten „Sexualität – Sex – Sexualleben“ fehlt. Was ist unter Sexualität zu verstehen? In manchen Formulierungen setzt Cassiers Sexualität mit Sex gleich, an anderer Stelle geht sie darüber hinaus. Was wird alles vom Sexualleben umfasst? Fängt das schon bei Streicheleinheiten im Alltag an oder doch erst im Bett?
Ursache und Wirkung
Ganz richtig stellt Cassiers dar, dass gerade zu Beginn einer neuen Beziehung man ganz blind ist vor Liebe und die sexuelle Passgenauigkeit zunächst noch eine untergeordnete Rolle spielt. Auch gesteht sie frisch zusammengekommenen Paaren noch die Möglichkeit zu, dass sie sich gut auf die „bestimmten Verhaltensweisen und Wünsche des Partners“ (S. 126) einstellen können. Ja sogar, dass „in der frühen Liebe … die große Chance [liegt]die Passgenauigkeit noch zu gestalten und zu formen.“ (S. 126) Schafft man es nicht, in dieser Anfangsphase die „sexuellen Strukturen“ aufeinander abzustimmen, ist es jedoch vorbei.
Besonders, wenn dann bei einer länger anhaltenden Beziehung „das Kind schon in den Brunnen gefallen“ ist (S. 127) (sie meint damit die Schwangerschaft) – gibt es danach kaum eine Chance, die sexuelle Passgenauigkeit abzuklären. Schließlich muss man sich ja erstmal um den Nachwuchs kümmern. Ihrer Ansicht nach kommt es dann oftmals dazu, dass die Paare erkennen, dass sie „ja gar nicht so gut zusammenpassen“ und sich aber auch nicht ohne weiteres trennen können. Und dann mit der Suche nach Kompromissen aus der Liebes- eine Zweckgemeinschaft entsteht.
Das sexuelle Persönlichkeitsprofil
Aber ich will ja nicht nur meckern, denn trotz meiner Kritik ist der Fragenkatalog ziemlich beeindruckend. Mit 423 Fragen schafft Dagmar Cassiers es, in 28 Kategorien so ziemlich alles, was sexuell relevant sein könnte, abzufragen. Angefangen bei Fragen nach der gewünschten Zärtlichkeit über die Vorlieben bei Berührungen und Stellungen bis hin zur Bedeutung der Sexualität in der Partnerschaft – es ist alles mit dabei. Hier mal ganz zufällig ein paar Fragen herausgegriffen:
Frage 2.10: Gemeinsames Vorlesen oder Lesen erotischer Schriften
Frage 6.1: Mich gerne nackt und erotisch zeigen
Frage 8.20: Lecken und Nuckeln an Füßen und Zehen
Frage 16.16: Schlagsahne aus der Sprühflasche beim Sex
Frage 19.14: Stöhnen und Schreien beim Sex
Streng genommen sind es keine Fragen, sondern eher Aussagen. Jede Aussage soll man für sich selbst auf einer Skala von 1 bis 5 gewichten. Wobei 1 für „ist mir sehr wichtig“ und 5 für „geht gar nicht!“ steht. Wird eine 3 angekreuzt, dann sagt man zu der Praktik: „ist mir egal.“ Zusätzlich wird bei manchen Aussagen noch die Frage gestellt, ob man eher die aktive oder passive Rolle dabei einnehmen möchte. Bei dem Punkt mit dem Stöhnen und Schreien kann man zum Beispiel sagen, ich möchte passiv sein und mein Gegenüber aktiv. Außerdem ist unter jeder „Frage“ noch Platz für eigene Anmerkungen.
Zusätzlich gibt Cassiers auch noch eine Anleitung, wie man den Fragebogen am besten alleine oder gemeinsam mit dem Partner bzw. der Partnerin ausfüllen sollte. Auch gibt sie Tipps zur Auswertung, wann eine sexuelle Passgenauigkeit gegeben ist und wann eher nicht. Denn „… auch die Gewichtung der Aussagen zu sexuellen Vorlieben, also die Gradierung (Skalierung) ist von großer Bedeutung.“ (S. 118)
Eindeutig zweideutig
Nicht immer ist die Beantwortung der Fragen ganz einfach. Zum einen ist bei einigen Fragen nicht ganz klar, in welcher Perspektive man antwortet. Zum Beispiel bei einer Frage nach der Körperbehaarung – geht es jetzt darum ob ich Körperbehaarung bei mir selbst mag oder bei meinem Partner bzw. Partnerin?
Auch die Skalierung ist bei manchen Fragen nicht ganz passend, sodass man das Kreuz dann doch lieber in der Mitte setzt, weil die richtige Aussage auf der Skala nicht zu finden ist.
Lerne dich selbst kennen!
Warum hat Cassiers diesen Fragebogen entwickelt? Hauptsächlich geht es ihr „um die Erfassung sexueller Partialtriebe oder sexueller Partialbedürfnisse, also um persönliche sexuelle Vorlieben und Strukturen.“ (S. 117) Mit dem Katalog sollen die Leser und Leserinnen zum einen erstmal sich selber und die eigenen Wünsche kennenlernen. Denn nur wer weiß, was er oder sie selber will, hat eine ungefähre Vorstellung davon, was man von dem zukünftigen Partner oder Partnerin erwartet.
Zum anderen soll es auch genau darum gehen: „Das Buch soll dem Leser oder der Leserin bei der Definition seines sexuellen Wunschpartners hilfreich sein. […] Man kann ihn gemeinsam ausfüllen und dadurch die Verbalisierung erleichtern. Man kann ihn getrennt ausfüllen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten. Man kann ihn als Gesprächsgrundlage über Sexualität mit dem Partner verwenden oder auch nur für sich selbst, die eigene Sexualität erforschend und definierend.“ (S. 122)
Ich halte den Katalog für ein wunderbares Hilfsmittel sich wirklich mal mit sich selbst und der eigenen Sexualität zu beschäftigen. Da dort auch viele Fragen gestellt werden, mit denen man sich so noch nie auseinandergesetzt hat und man dann zum Nachdenken gezwungen wird: „gefällt mir das oder gefällt mir das nicht?“ Das bringt aber natürlich auch eine gewisse Schwierigkeit mit sich, welche Cassiers ebenfalls beschreibt: „Ohne die sexuelle Erfahrung hat man ja nur ein mehr oder weniger sicheres Gefühl für das, was einem im Sexualleben Spaß machen könnte.“ (S. 120)
Fragenkatalog für die Partnersuche
Bis hierhin bekommt Dagmar Cassiers von mir ein zustimmendes Nicken. Mit dem Vorschlag, den Sex-Pass zur Grundlage für die Partnersuche zu machen, kann ich jedoch nicht konform gehen.
Denn, wie gerade festgestellt, wird bei vielen Antworten der Konjunktiv davor stehen. Es könnte mir gefallen oder es könnte mir nicht gefallen – ohne sich dabei wirklich sicher zu sein. Das findet man meistens erst mit der Zeit heraus, wenn man schon einige Erfahrungen gesammelt hat. Ich habe letztens erst eine Frau getroffen, die auf Würgen und Schlagen stand – sie meinte allerdings, dass sie sich gar nicht hätte vorstellen können, dass ihr das gefällt, wenn das nicht jemand einfach bei ihr (im Konsens!) gemacht hätte.
Auch wenn ich mir meine Frau und mich vorstelle, wie wir vor zehn Jahren den Bogen ausgefüllt hätten, wäre wahrscheinlich ein ziemlich inkompatibles Ergebnis herausgekommen und wir heute nicht mehr zusammen. Wir haben zu dem Zeitpunkt aber zum Glück noch keinen Sex-Pass gemacht und sind mittlerweile einige Jahre glücklich verheiratet – befriedigende Sexualität inklusive. Dabei waren wir gar nicht von Anfang an sonderlich passgenau, sondern haben uns vielmehr gemeinsam durch viel ausprobieren und experimentieren zu einer passenden Sexualität weiterentwickelt.
Besonders spannend finde ich auch die Zeit während und nach der Schwangerschaft, welche Cassiers in ihrem Buch ja etwas abwertend betrachtet. Es ist eine Zeit, in welcher sich die Sexualität radikal verändern kann, was einerseits sicher Schwierigkeiten mit sich bringt, andererseits aber auch Chancen für eine erfülltere Sexualität bietet. Überhaupt verändern sich unsere Vorlieben ständig. Passenderweise bin ich kürzlich erst auf einen Forumeintrag auf Reddit gestoßen, wo jemand die Frage gestellt hat, was Leute über 30 aus ihrer sexuellen Jugend vermissen. Die einhellige Antwort: fast nichts. Der eine oder andere trauert vielleicht ein wenig dem jugendlichen Körper nach, aber alle sind der Meinung, dass der Sex mit zunehmenden Alter immer besser wird.
Daher mein Plädoyer an dieser Stelle: die sexuelle Passgenauigkeit am Anfang nicht zu hoch zu bewerten. Selbst wenn es nicht von Anfang an ganz passt, kann sich etwas wunderbares entwickeln.
Auf Nachfragen bezüglich meiner Bedenken zur Partnersuche spezifiziert Cassiers ihre Aussage nochmal:
„Die sexuelle Passgenauigkeit gleich zu Beginn einer Beziehung zu klären, macht aus meiner Sicht in vielen Fällen Sinn, aber vor allem bei Menschen, die schon mehrere gescheiterte Beziehungen hinter sich haben und immer wieder in die gleichen Fallen tappen, weil sie ihre PartnerInnen immer wieder nach dem gleichen „Beute-Schema“ auswählen. Damit ist die nächste Enttäuschung und das nächste Scheitern schon vorprogrammiert. Um sich davor zu schützen, kann es sehr hilfreich sein zu analysieren: Was ist mein gängiges Beuteschema und was führt mit schöner Regelmäßigkeit zu Frust, Enttäuschung und Scheitern? In diesen Fällen wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Partnerwahl dem Thema Sexualität zu wenig Aufmerksamkeit und Bedeutung beigemessen, jedenfalls in Bezug auf die tatsächlichen individuellen unverzichtbaren sexuellen Wünsche und Bedürfnisse.“
Fazit zum Sex-Pass
Auch wenn ich Dagmar Cassiers Thesen in manchem Punkten durchaus kritisch gegenüberstehe, empfinde ich das Buch in der Gesamtheit doch durchaus als lesenswert. Gerade der Fragenkatalog und ihre Ausführungen im Umgang mit ihm können helfen, sich besser darüber bewusst zu werden, was man will und was man nicht will.
Auch für die Partnerschaft finde ich das ungemein praktisch. Denn über Sex reden und die eigenen Vorlieben auszusprechen, fällt vielen selbst gegenüber dem geliebten Menschen oder gerade bei diesem nicht leicht. Da kann über so einen Fragenkatalog schon das Eis gebrochen werden und man entdeckt vielleicht Gemeinsamkeiten, die man bisher vor dem anderen verborgen hatte. So ähnlich formuliert es auch Cassier: „Selbst heute wissen Paare mit sexuellen Vorerfahrungen wenig über ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse und erst recht nichts über die Wünsche und die sexuelle Struktur der Auserwählten.“ (S. 20)
In diesem Sinne bekommt das Buch von mir eine Leseempfehlung mit dem Hinweis, dass das ein oder andere durchaus auch mal kritisch hinterfragt werden darf.
„Der Fragenkatalog richtet sich an alle, die am Thema Sexualität interessiert sind, unabhängig vom Alter, vom Geschlecht, von sexuellen Vorerfahrungen. Das Buch soll ein unverkrampftes, wohlwollendes, tolerantes, vorurteilsfreies Verständnis dafür wecken, dass Sexualität ein menschliches Grundbedürfnis ist, dessen Befriedigung grundsätzlich vielfältig und individuell ist und sein darf, genau so wie bei anderen Grundbedürfnissen auch. Und wie in vielen anderen Lebensbereichen auch, scheint ein Mindestmaß an Kompatibilität, an sexueller Passgenauigkeit , die Chance auf ein nachhaltig glückliches Leben, eine nachhaltig befriedigende, zufriedene Beziehung stark zu erhöhen. Motto: Gleich und gleich gesellt sich gern.“
Dagmar Cassiers
Richtig spannend fände ich eine auf dem Fragebogen basierende Langzeitstudie, bei der eine Gruppe von Menschen ab ihrem 18. Lebensjahr bis zum 30. einmal im Jahr den Fragebogen ausfüllen muss. Es wäre interessant zu sehen, wie sich in diesem Bereich die sexuellen Präferenzen entwickeln oder vielleicht auch konstant bleiben.
Der Sex-Pass gibt Paaren, die es wissen möchten, Auskunft über ihre sexuelle Passgenauigkeit. Denn, so Dagmar Cassiers, je besser Paare sexuell zusammenpassen, umso wahrscheinlicher ist, dass die Beziehung langfristig glücklich bleibt. Der Sex-Pass, in der Kategorie Sachbuch erschienen, ist in erster Linie ein Arbeitsbuch, das auf dem Fundament von Dagmars jahrzehntelanger Praxis in der Beratung von Paaren entstanden ist.
Was hat dich auf die Idee gebracht, ein Buch zum Thema Sexualität zu schreiben?
Die Berichterstattung in den Medien, dass jede dritte Ehe geschieden wird. In meiner jahrzehntelangen Praxis als Paartherapeutin habe ich viele Paare, die sich getrennt hatten, genau befragt, worin das Scheitern ihrer Beziehung lag. Dabei habe ich bemerkt, dass in vielen Beziehungen Dynamiken entstehen, in denen die gemeinsame Sexualität als Belohnungs- und Bestrafungsstra- tegie eingesetzt wird. Am Ende bekommt dann keiner mehr, was er sexuell möchte, und beide gehen frustriert und enttäuscht auseinander.
Was ist bei deinem Buch anders als in anderen einschlägigen Ratgebern?
Ich habe festgestellt, dass es in der Literatur nur sehr wenige Ratgeber gibt, die Paaren ein differenziertes wechselseitiges Nachfragen anbieten. Meist endet man Fragebögen der „Ja/Nein“- Kategorie. In meinem Arbeitsheft biete ich Paaren Skalierungen an. Und es gibt sehr konkrete Fragen! Denn es ist nicht dasselbe, ob ich frage „Sind Sie romantisch?“, oder ob ich frage „Brauchen Sie Kerzenschein, um in Stimmung zu kommen?“.
Woran macht es sich denn fest, ob ein Paar sexuell zusammenpasst?
Viele Paare haben Idealvorstellungen vom Normsex, ein Bild, wie es sein sollte. Das bringt sie manchmal von sich selbst ab und schafft Probleme. Man muss miteinander reden. Dazu ermuntert mein Fragenkatalog. Die Bandbreite der Passung ist ja im Grunde sehr groß: Auch ein Paar, das unterschiedliche Vorlieben hat, kann wunderbar zusammenpassen und sich aufeinander einstellen. Es geht eher um das Ausmaß der Unterschiedlichkeit. Und wenn das zu groß ist, dann kommt man eben dauerhaft nicht zusammen.
Wilhelm Reich hat einmal gesagt, Sexualität kann zwei Menschen maximal vier Jahre zusammenhalten. Was sagst du dazu?
Das kann ich nicht unterschreiben. Es hängt sehr davon ab, wie diese Menschen ihre Sexualität leben. Meine Erfahrung zeigt eher, dass Menschen die sexuellen Freuden bis ins hohe Alter genießen können, wenn sie sexuell sehr gut zusammenpassen. Da gib es keine „Obergrenze“.
Inwieweit fließt deine Arbeit als Coach bei pme in dieses Buch ein? Hättest du das Buch auch ohne deine Beratungstätigkeit bei pme geschrieben?
Definitiv, weil ich insgesamt schon 20 Jahre als Coach tätig bin. In meiner Beratungstätigkeit bei pme kommt das Thema gar nicht so häufig vor. Ich arbeite jetzt 10 Jahre hier, und es waren vielleicht fünf Beratungen, die in diese Richtung gingen.
Sind weitere Bücher geplant?
Derzeit nicht. Ich kann so ein Werk nämlich nur schwer loslassen. Beim Sex-Pass hat es drei Jahre gedauert, bis ich ihn veröffentlichen konnte.
Wird man als Buchautorin reich?
Autorenhonorare sind grundsätzlich sehr gering. Die Einnahmequelle hält sich in sehr moderaten Grenzen. Was aber schön ist: Kollegen nutzen mein Buch für ihre tägliche Arbeit. Pro Familia ist auf mich aufmerksam geworden, sie wollen das Buch eventuell für ihre Arbeit verwenden.
Bei freundin online schreibe ich Kolumnen zum Thema Sexualität, und Fachexperten wie Ulrich Clement verfolgen mein Buch – ein schönes Äquivalent zur monetären Gratifikation.
Das Interview mit Dagmar Cassiers ist erschienen im Mitarbeitermagazin der pme Familienservice Gruppe "FLOTTE WELLE" Ausgabe 2/2017. Geführt wurde es mit Gabriele Hamm-Brink
Glückliche Beziehungen scheinen in der Gesellschaft ein Auslaufmodell zu sein, im eigenen Bekanntenkreis nimmt die Zahl der Trennungen (gefühlt) von Jahr zu Jahr zu. Nach Einschätzung der Paar-Therapeutin Dagmar Cassiers ist der Grund in den meisten Fällen der gleiche: die Sexualität. Genauer gesagt: die unterscheidlichen sexuellen Vorlieben der Partner. Mit ihrem Buch „Sex-Pass“ will Cassiers Paaren dabei behilflich sein, gemeinsam zu überprüfen, ob’s passt – oder nicht.
Die Berliner Autorin startet in ihrem Buch mit einer längeren allgemeinen Abhandlung zum Thema Sexualität, die u.a. ihre gesellschaftliche Entwicklung in den letzten Jahrzehnten zusammenfasst und
sich anschließend Cassiers eigenen Erfahrungen als Therapeutin (anhand von anonymisierten Berichten aus ihrer Praxis) widmet.
Dann entwickelt Cassiers eine sicherlich angreifbare These: Für sie ist die „sexuelle Passgenauigkeit das entscheidende Kriterium für glückliche oder unglückliche Partnerschaften“. Nicht ein bestimmter Intellekt, geteilte Normen- oder Wertsysteme, gemeinsame Hobbies oder Kommunikationsfähigkeit – ganz oben, und somit entscheidend für die Perspektiven von Beziehungen, steht die Sexualität.
An dieser Stelle fällt bei Cassiers eine weitere Besonderheit der Argumentation ins Auge. Ihrer Einschätzung nach kommt es für Paare (bzw ihre professionellen Sex-Ratgeber/Therapeuten) nicht darauf an, gemeinsam eine Sexualität zu entwickeln, die beiden gefällt. Ihr radikaler Ansatz: Die eigenen Wünsche sind bereits ziemlich vorgeprägt, jeder Mensch besitze nämlich „einen individuellen, genetisch disponierten und lebensgeschichtlich bedingten sexuellen Fingerabdruck“. Ergo läuft’s nur dann in der Beziehung gut, wenn „die sexuellen Fingerabdrücke der Partner nahezu deckungsgleich sind“. Bei zu starken Abweichungen lohne die ganze Mühe der Beziehungsarbeit erst gar nicht, denn: „Partnerschaftliche Unterschiede in anderen Lebensbereichen sind leichter zu kompensieren als sexuelle Unterschiede.“
Auf Basis dieser Thesen entwickelt die Autorin einen fast 100-seitigen Fragenkatalog, mit dem Paare (alleine oder in der Therapie) die eigenen Wünsche bzw. deren Übereinstimmungen ermitteln können. Kostprobe: „Filmriss und Bewusstseinsverlust im sexuellen Rausch?“ – „Ist mir sehr wichtig“ bis „Geht gar nicht“. Das Buch enthält 422 weitere Fragen dieser Art.
Fazit: Teilt der Leser Cassiers These von der über allem anderen stehenden Sexualität und deren Passgenauigkeit als zentralem Glücksfaktor, dann ist ihr 260-seitiger Ratgeber ein gutes Hilfsmittel bei der Partnerwahl. Zweifelt der Leser daran, dann passt der „Pass“ nicht ganz.
Dr. Werner Weishaupt (Dozent und VFP-Supervisor) rezensiert:
Unser langjähriges Mitglied, die Heilpraktikerin für Psychotherapie und Paar- und Sexualtherapeutin Dagmar Cassiers, hat ein für Klienten wie für Berater und Therapeuten äußerst lesenswertes und nützliches Buch geschrieben. Ich war sofort fasziniert von den vielen anschaulichen Fallbeispielen aus der Praxis, genauso wie von dem sehr differenzierten Fragenkatalog und dem ganzen Ansatz, so an das oft schwierige Thema „Sex in der Beziehung“ heranzugehen. Der Autorin ist sicher zuzustimmen, wenn sie behauptet, dass die Art und Weise, wie Partner sexuell zueinander passen oder eben auch nicht, einen sehr bedeutsamen Stellenwert für das Lebensglück des einzelnen wie auch für die Qualität und die Dauer der Partnerschaft hat. Viele Partner machen sich da etwas vor, arrangieren sich über Jahre oder gar Jahrzehnte, bis z.B. eine Außenbeziehung ihnen wieder die Augen für ihre eigenen verborgenen sexuellen Bedürfnisse öffnet.
Was war für Dagmar Cassiers die Motivation dieses Buch zu schreiben, und was ist die Botschaft?
In ihrer langjährigen Tätigkeit als systemisch-lösungsorientierte Paartherapeutin kommt sie immer wieder mit Menschen in Kontakt, die trotz viel guten Willens einfach keine echte Befriedigung miteinander erleben. Dabei schafft eine sexuell stimmige Beziehung eine Harmonie, die in den Alltag ausstrahlt. Eine erfüllte Sexualität ist eine starke, Beziehung stützende und tragende Basis. Sex macht glücklich oder extrem unglücklich. Je nachdem, ob das Liebesleben richtig rund läuft oder vor sich hin dümpelt. Die entscheidende Frage ist nicht, ob der Sex „gut“ oder „schlecht“ ist, sondern ob zwei Menschen sexuell zueinander passen.Mit 423 Fragen gibt das Buch die Möglichkeit, das eigene Sexual-Profil zu konkretisieren und mit dem des Partners oder potenziellen Partners abzugleichen.
Nun könnte man meinen, dass ein so umfangreicher Fragenkatalog einfach zu groß und zu mühsam ist, wenn man alle Fragen für sich oder gemeinsam als Paar oder zusammen mit der Therapeutin durchgeht. Das muss man aber gar nicht zwingend, man kann bestimmte Aspekte aus den 28 Fragekapiteln herausgreifen und soll sich – so die Empfehlung der Autorin – durchaus auch mehrere Wochen Zeit lassen. Gerade das differenzierte Erfassen des sexuellen Erlebens und Verhaltens auf dem Hintergrund neuer sexualwissenschaftlicher und kommunikationspsychologischer Erkenntnisse unterscheidet dieses Buch von billigen Tests in Publikumszeitschriften, die in der Regel auch nicht wirklich erhellend sind.
Nach den Beratungserfahrungen der Autorin sind im wesentlichen 4 Faktoren entscheidend dafür, ob ein Paar sexuell zusammen passt:
Die Ausprägung der Libido, der quantitative Faktor und Stellenwert der Sexualität ist für das glückliche Miteinander und die Dauerhaftigkeit der Beziehung sehr bedeutsam. Wenn der eine Partner deutlich häufiger Lust hat als der andere, sind Probleme für die Partnerschaft vorprogrammiert.
Zweitens ist der unterschiedlich ausgeprägte Wunsch nach Intimität, körperlicher Nähe, Schamlosigkeit und Hemmungslosigkeit von entscheidender Bedeutung. Dies spielt in alle sexuellen Handlungen hinein und scheint auch beim einzelnen Menschen wenig veränderbar zu sein.
Die dritte Kategorie betrifft das Verhältnis von Aktivität und Passivität und den Wunsch nach Dominanz und Unterwerfung. Auch die Frage des sexuellen Temperaments ist ganz entscheidend. Wer es lieber zärtlich und kuschelig mag, wird mit einem sehr wilden, temperamentvollen, sexuell eher unruhigen Partner nicht so gut zusammenpassen.
Die vierte wichtige Kategorie für die sexuelle Passgenauigkeit eines Paares betrifft das Timing der Sexualität. Der prinzipielle Unterschied lässt sich ganz gut zusammenfassen in den Aussagen „Der Weg ist das Ziel“ oder eben „Das Ziel ist das Ziel“. Auch diese Unterschiede sind bei aller Flexibilität und Veränderung im Beziehungsverlauf doch prinzipiell stark in der Persönlichkeitsstruktur eines jeden verankert.
Das schöne und wertvolle an diesem Buch ist, dass es nicht nur eine Bestandsaufnahme ermöglicht, sondern dass uns die Autorin auch zeigt, wie denn Gespräche und Übungen in der Sexualberatung gelingen können. Dabei enthält sie sich persönlicher Wertungen und geht absolut klientenzentriert vor, was in manchen Fällen dann auch in eine Trennungsberatung münden kann. Ich empfehle allen Kolleginnen und Kollegen deshalb dieses Buch ausdrücklich.