Wenn zwei sich streiten, freut sich keiner

Wenn zwei sich streiten, freut sich keiner – Die einvernehmliche Scheidung

Ein Gastartikel von Niklas Clamann. Herr Clamann ist Rechtsanwalt mit einer eigenen Kanzlei in Münster, für die er sich auf Familienrecht spezialisiert hat. Dort vertritt er seine Mandant:innen insbesondere bei einvernehmlichen Scheidungen, die sich auch als Onlinescheidung durchführen lassen.

 

Für die einen markiert sie das endgültige Scheitern der erhofften glücklichen Zukunft. Für die nächsten steht sie für das Ende einer unbefriedigenden Partnerschaft und die Chance auf einen Neubeginn voller Selbständigkeit. Und wieder andere sehen in ihr kaum mehr als einen bürokratischen Akt, den es zu erledigen gilt. Die Rede ist von der Scheidung. So unterschiedlich die Menschen und ihre Beziehungen sind, so vielfältig sind auch die Gründe für und die Gefühle während der Scheidung. Eines haben jedoch (fast) alle Scheidungen gemein: Es schont alle Beteiligten, wenn sie einvernehmlich durchgeführt werden, statt in einem Rosenkrieg zu münden.

 

Doch was bedeutet das, eine „einvernehmliche Scheidung“ durchzuführen?

Bei einer einvernehmlichen Scheidung sind sich beide Ehepartner:innen grundsätzlich darüber einig, die Scheidung zu wollen. Rechtlich gesehen muss dafür das Trennungsjahr abgelaufen sein. Damit ist die einjährige Trennung von „Tisch und Bett“ gemeint. Die Eheleute dürfen also ein Jahr lang nicht als Partner:innen zusammengelebt und ihre Beziehung aufrecht erhalten haben. Nicht wenige Paare schaffen es innerhalb dieses Jahres, etwa mithilfe von Paartherapeut:innen, durch eine intensive Beschäftigung miteinander und mit den Problemen in ihrer Ehe wieder zueinanderzufinden. Stellen beide jedoch nach Ablauf einesJahres seit der Trennung gemeinsam fest, dass ihre Ehe gescheitert ist, liegt die Grundvoraussetzung der Scheidung vor.

 

Besteht Konsens über das Ob einer Scheidung, müssen die Eheleute auch noch das Wie klären. Hierin liegt die wahre Herausforderung: Die Scheidungswilligen müssen sich im Wesentlichen darüber einig sein, wie das Vermögen und der Hausrat aufgeteilt werden soll, welche Unterhaltszahlungen zu leisten sind und wie das Sorge- und Umgangsrecht für die gemeinsamen Kinder ausgestaltet werden soll. Für diese weitreichenden Entscheidungen wird keinesfalls erwartet, dass man sich durch eine Unmenge juristischer Fachliteratur kämpft und alle aufkommenden Konflikte allein bewältigt. Auch sollte nicht eine:r um des lieben Friedens willen nur nachgeben, statt für sich einzustehen. Vielmehr wird die einvernehmliche Scheidung durch die Kommunikations- und Kompromissbereitschaft der Eheleute geprägt. Beide sollten darauf bedacht sein, außergerichtlich Lösungen zu finden, die fair sind und beiden gerecht werden.

 

Dafür stehen den Eheleuten verschiedenste Unterstützungsangebote zur Verfügung.

Dazu gehören Anwält:innen im Familienrecht. Gerade wenn in der Ehe hohe Vermögenswerte bestehen, bietet es sich an, hinsichtlich der Aufteilung und eventueller Ausgleichszahlungen eine:n juristische:n Expert:in zu Rate zu ziehen.

 

Ebenso bietet das Jugendamt Trennungs- und Scheidungsberatungen an. Haben die Eheleute gemeinsame Kinder, leiden diese erwiesenermaßen besonders stark unter konfliktbelasteten, langwierigen Scheidungen. Streiten die Eltern über das Sorge- und Umgangsrecht, gesellen sich zur kindlichen Angst, Trauer und Wut häufig auch Schuldgefühle. Dem kann vorgebeugt werden, indem mithilfe des Jugendamtes ein Konzept zur gemeinsamen Aufarbeitung der Trennung mit dem Kind entwickelt wird. Auch hinsichtlich der späteren Besuchs- und Umgangsregelungen kann das Jugendamt eine gemeinsame Lösungsfindung unterstützen, sodass beide Elternteile auch in Zukunft ihrer Rolle gerecht werden. Die Kinder können hierbei direkt in die Beratung einbezogen werden.

 

Eine relativ unbekannte Möglichkeit bei Uneinigkeiten über bestimmte Scheidungsfolgen ist die Mediation. Mediator:innen unterstützen hier die Eheleute dabei, Konflikte einvernehmlich beizulegen. Es handelt sich also nicht um eine Beratung zur Aufarbeitung innerer Probleme, sondern um ein lösungsorientiertes Verfahren. Dabei werden die Bedürfnisse und Standpunkte der Ehepartner:innen gemeinsam erörtert. Anschließend leiten die Mediator:innen die direkte Kommunikation zwischen den Eheleuten an, sodass diese gemeinsame Regelungen für ihr Problem erarbeiten können.

 

Emotionale Unterstützung bieten schließlich Therapeut:innenDie Gewissheit, dass die Liebe des Lebens nun doch nicht für immer halten wird, kann enorm belastend sein. Sowohl die getrennte Aufarbeitung der Gefühle während der Trennung, als auch eine gemeinsame Beratung zum gegenseitigen Verständnis und Umgang miteinander schützt die psychische Gesundheit im Scheidungsprozess.

 

Was zunächst nach einem Mehraufwand klingt, zahlt sich jedoch aus. Die einvernehmliche Scheidung bietet viele Vorteile.

 

Der offensichtlichste Vorteil besteht in der Schonung der Nerven. Begegnen sich die Eheleute ehrlich, fair und auf Augenhöhe, kommt es selten zur Eskalation ihrer Konflikte. Meiner Erfahrung nach liegt das Problem bei streitigenScheidungen darin, dass die Ehepartner:innen nicht in der Lage sind, vor Gericht miteinander zu sprechen. Diese verhärteten Fronten bringen zwar Ärger und Tränen, aber keine Lösungen. Gerade nach denen wird jedoch gesucht. Im schlimmsten Fall trifft das Gericht letztendlich Entscheidungen, mit denen keine:r von beiden zufrieden ist und der Konflikt trägt sich weiter in die Zeit nach der Scheidung. Das kann vermieden werden.

 

Eine einvernehmliche Scheidung kann eine erhebliche finanzielle Entlastung gegenüber einer streitigen Scheidung bedeuten. Vor Familiengerichten besteht zwar Anwaltszwang, allerdings ist es möglich, dass nur eine:r von beiden eine:nAnwält:in beauftragt. Dieses Vorgehen bietet sich an, wenn die Scheidungsfolgen schon vorher geklärt wurden und der Gerichtstermin frei von Konflikten bleibt. In diesem Fall können sich die Eheleute die Rechtsanwaltsgebühren teilen. Außerdem besteht die Möglichkeit, die gerichtliche Verringerung des Gegenstandswertes zu beantragen. Die Gerichtskosten können dabei wegen der Einfachheit des Verfahrens um bis zu 30 % gesenkt werden.

 

Schließlich sind einvernehmliche Scheidungen in der Regel deutlich schneller. Klassische Scheidungen nehmen ca. 4-8 Monate in Anspruch. Bei einer einvernehmlichen Scheidung ohne Versorgungsausgleich kann sich die Verfahrensdauer auf bis zu 6 Wochen reduzieren. Je schneller die Scheidung klar abgeschlossen ist, desto schneller können sich die ehemaligen Eheleute ihrer eigenen Zukunft zuwenden, die hoffentlich wieder Freude, Harmonie und vielleicht auch eine neue Liebe mit sich bringt.